Ein einziges Mal in der langen Chorgeschichte mussten die Leipziger auf den Gesang ihrer Thomaner in der Christmette in St. Thomas verzichten. Nach dem verheerenden Bombenangriff am 4. Dezember 1943 lagen große Teile der Innenstadt und der angrenzenden Bezirke in Schutt und Asche. Getroffen wurde auch das Alumnat. Doch weil die Sänger beherzt agierten, zerstörte das Feuer lediglich Turnhalle und Speisesaal. Kaum war der Brand gelöscht, setzte Thomaskantor Günter Ramin einen längst ausgearbeiteten Plan in Gang – die Evakuierung des Chores ins 35 Kilometer entfernte Grimma, wo die Thomaner in der renommierten Fürstenschule Unterkunft fanden.
Die Adventsmotetten und das Weihnachtsoratorium boten die Sänger in diesem Jahr in der restlos überfüllten Grimmaer Frauenkirche. Selbst Stehplätze waren damals knapp geworden, berichten die, die dabei waren. Schon im Januar 1944 aber fuhr das Ensemble wieder wöchentlich nach Leipzig, um den dort Verbliebenen wenigstens die Samstagsmotette zu bieten. Als im Frühjahr 1945 die Amerikaner vor Grimma standen, versteckten sich die Thomaner in einem Felsenkeller und wagten sich erst nach Beendigung der Kämpfe mit einem auswendig gesungenen Bachchoral wieder ans Tageslicht.
Text: Hagen Kunze
Fotos: Fürstenschule Grimma (PR), „Weihnachtsfeier im Kriegswinter 1942“ (Archiv des Thomanerchores, Sammlung Fritz Spieß)
Musik: www.rondeau.de/CD/ROP4028