Ganz offiziell meldete sich Oberbürgermeister Otto Georgi im Frühjahr 1879 nach dem Tod des Thomaskantors Ernst Friedrich Richter bei Johannes Brahms und trug ihm in einem Brief das Thomaskantorat an. Doch obwohl eine Äußerung des Komponisten an seinen Verleger Simrock („Die Kantorstelle ist wohl nichts für mich“) den Eindruck erwecken lässt, dass er den Gedanken schnell verwarf, hielt sich Brahms gegenüber Georgi eine Hintertür offen.
„Unter uns: Können Sie mir etwas Besonderes über die Kantorstelle an der Thomaskirche sagen?“, schrieb er an seine Leipziger Freundin Elisabeth von Herzogenberg. Als der Komponist aber erfuhr, dass man in Leipzig einige seiner in Musikerkreisen sorglos gestreuten Witzchen über Besuche in zwielichtigen Etablissements ernst nahm, war der sonst so humorvolle Mann sichtlich beleidigt: „Nicht gelacht habe ich über die Frage des Bürgermeisters wegen meines Lebenswandels.“
Möglicherweise waren also diese Gerüchte der Grund, weshalb Brahms dann doch nach wenigen Wochen Korrespondenz auch offiziell absagte und zugleich als geeigneten Kandidaten den damaligen Thomasorganisten Wilhelm Rust anpries. Eine Empfehlung, der Georgi gern folgte.
Text: Hagen Kunze