Die Liste der Kompositionen, die dem Thomanerchor gewidmet sind, ist lang. Allein ein halbes Dutzend Werke entstanden im Umfeld des Festjahres 2012. Dass es eine Weile dauert, bis sich die Fachwelt über derartige Musiken ein fundiertes Urteil bildet, zeigte die Geschichte mehr als einmal: Einst gern gesungene Werke sind heute vergessen. Andere, die jetzt zum Basisrepertoire zählen, waren hingegen lange verschollen.
Das beeindruckendste Geschenk in acht Jahrhunderten Chorgeschichte erhielten die Thomaner am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 vom Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz. Der hatte zwar nichts mit der Thomaskirche zu tun, schätzte aber den Chor derart, dass er den Thomanern, die unter Krieg und Pest gelitten haben wie kaum ein zweites Ensemble, seine berühmte Motettensammlung „Geistliche Chor-Music“ widmete.
Denn er habe „in der Tat befunden, wie der Musicalische Chor zu Leipzig allezeit vor andern einen großen Vorzug gehabt“, lobte Schütz in der Vorrede zum Werk überschwänglich. Geschickt verband der namhafteste Musiker Sachsens sein Geschenk zudem mit einer Bitte: Die Stadt solle den Chor „wie bisher erhalten und stärken“, schrieb er. Die Widmung ließ sich Leipzig viel kosten: 22 Gulden und 18 Groschen sandte man nach Dresden – eine Summe, die die sonst üblichen Zahlungen nach derartigen Widmungen weit überstieg.
Text: Hagen Kunze
Bilder 1 und 2: Titelblatt und Widmung der Geistlichen Chor-Music 1648, Bild 3: Porträt Heinrich Schütz Schütz