Eine Besonderheit des Thomaner-Alumnats sind die altersgemischten Stuben. Den Sängern ist diese Tradition auch heute noch so wichtig, dass sie selbst im modernisierten Alumnat, in dem altersgleiche Unterbringung problemlos möglich wäre, auf die Durchmischung nicht verzichten wollten. Einher geht mit der Tradition das pädagogische Prinzip der Selbsterziehung, derzufolge ältere Schüler die Regeln überwachen und gegenüber Jüngeren auch Strafen aussprechen dürfen.
Fast vier Jahrhunderte lässt sich diese Praxis zurückverfolgen: Während des 30-jährigen Krieges, zu Zeiten des Thomaskantorats von Tobias Michael, lebten 54 Alumnen zusammen in sieben „contubernia“ genannten Räumen – fünf Zimmer für je acht, zwei für je sieben Schüler. Jedes Contubernium hatte seine eigenen Gesetze. Um Zucht und Ordnung aufrechtzuerhalten, gab es ein ausgeklügeltes System selbst erteilter Strafen und Geldbußen.
So hatte in einer Stube 1634 derjenige vier Groschen zu zahlen, der den Schlüssel verlor oder ihn in der Tür stecken ließ. Einen Groschen musste entrichten, wer vergaß, die Tür zu schließen. Und während Fluchen immerhin sechs Pfennige kostete, musste nur die Hälfte davon zahlen, wer das Frühgebet verschlief oder sein Bett nicht rechtzeitig machte.
Text: Hagen Kunze