Einen erstaunlichen Verschleiß an Kandidaten um das Amt gab es 1868 nach dem Tod von Moritz Hauptmann. Zwölf Bewerber warfen ihren Hut in den Ring. Doch bei jedem fand man ein Haar in der Suppe. Und wie so oft in der Vergangenheit galt die Stelle eigentlich schon als vergeben, bevor die ersten Bewerbungen überhaupt eintrafen.
Diesmal hatte der Verstorbene selbst noch den Kronprinzen benannt. Sein Lieblingsschüler Salomon Jadassohn, Dirigent der Euterpe-Konzerte, sollte nach Hauptmanns Wunsch Thomaskantor werden. Jadassohns Argument, er sei Jude, kommentierte man zunächst lapidar: „Das lässt sich ändern!“ Die Entgegnung aber war eine unmissverständliche Absage: „Das lässt sich nicht ändern!“, schrieb Jadassohn.
Politische Gründe führten dazu, dass sich das Bewerbungsverfahren neun Monate lang hinzog. Denn just in jener Zeit stand der Fortbestand des Alumnats zur Debatte, und den Beteiligten wurde klar, dass man mit dessen Auflösung auch das Thomaskantorat abschaffen würde.
Als die Krise überwunden war, musste alles ganz schnell gehen. Die Stadt entschied sich für einen 13. Kandidaten, der sich gar nicht beworben hatte, von dem man aber wusste, was er kann – Ernst Friedrich Richter. Der 60-Jährige war nämlich nicht nur Nikolaiorganist, sondern hatte sich auch als Universitätsmusikdirektor einen Namen gemacht.
Text: Hagen Kunze