ein kantor trotzt der pest

Mit Epidemien haben die Thomaner schon so manche Erfahrung gemacht. Gleich dreimal wütete im 17. Jahrhundert die Pest in Leipzig. Vor allem der Ausbruch 1680 hinterließ Spuren, als zahlreiche Bewohner aus der Stadt flohen. Die Entkommenen schmückten ihre Berichte drastisch aus, weshalb sich ein Chronist beklagte: „Der Zustand war zwar betrübt, doch Gott sei Dank nicht so erbärmlich, wie er in der Fremde ist wider die kundbare Wahrheit erdichtet worden.“ Stolz vermerkte der Schreiber vielmehr, dass die Kirchen voller als zuvor waren: „Es wurde das heilige Mahl mittwochs zu S. Nicolai und donnerstags zu S. Thomä ausgespendet, und da die Communicanten viel mehr gefordert wurden, wurde der Kelch von zwei Pfarrherrn gereicht.“

Die Kirchenmusik aber war massiv eingeschränkt: Schulunterricht und Kantoreidienst mussten monatelang aussetzen, nachdem der Konrektor und mehrere Alumnen verstarben. Ganze zwei Jahre dauerte es, bis Thomaskantor Johann Schelle wieder ein Chor im gewohnten Umfang zur Verfügung stand. Als die Seuche vorüber war, ließ Schelle darum eine große Kirchenmusik aufführen. Zweifellos war er dafür prädestiniert wie kein Zweiter: Sein Psalm „Lobe den Herrn, meine Seele“, den er kurze Zeit später nach der siegreichen Schlacht gegen die Türken vor Wien dirigierte, ist die prachtvollste Musik, die die Leipziger im 17. Jahrhundert zu hören bekamen.

Text: Hagen Kunze 

Film: "Lobe den Herrn, meine Seele" - Eine Stadt in festlichem Klang

Musik: Johann Schelle: "Lobe den Herrn, meine Seele"

Ausstellungsbegleitender Film des Museums für Musikinstrumente der Universität Leipzig zum Thema "Festmusiken der Thomaskantoren", Idee und Buch: Eszter Fontana, Veit Heller, Umsetzung und Regie: Sebastian Gomon, Kamera: Martin Ritter, Sprecher: Uve Teschner, Assistenz: Paul Flemming, Romy Marienfeld