ein eigener himmelskörper

Es muss ein besonderes Konzert gewesen sein. Dass der Thomanerchor auch außerhalb der Thomaskirche sang, war seit Karl Straubes Amtsantritt zwar nichts Ungewöhnliches mehr. Aber die Mitglieder der Astronomischen Gesellschaft, die im September 1924 ihre Jahrestagung in Leipzig veranstalteten, waren vom Rahmenprogramm mit Thomaneraufritt dennoch derart entzückt, dass sie spontan einen gerade entdeckten Asteroiden auf den Namen „Thomana“ tauften und dem Chor so zu einem eigenen Himmelskörper verhalfen.

Natürlich nicht irgendeinen, sondern einen „besonders tauglichen“ von drei zur Auswahl stehenden Kandidaten. Der Asteroid mit der internationalen Kennung 1023 war erst ein Vierteljahr zuvor von Karl Wilhelm Reinmuth entdeckt worden. Nur dieser eine sei der „vom seelischen Feuer innig durchglühten und mit nie gehörter astronomischer Präzision vorgetragenen Gesänge“ würdig, wie die Wissenschaftler schrieben.

Der Gesteinsbrocken, der zu Ehren des Thomanerchores im Gürtel zwischen Mars und Jupiter seine Bahnen zieht, ist rund 58 Kilometer groß. Für einen Umlauf um die Sonne braucht er mehr als fünfeinhalb Jahre. Zuletzt sorgte „Thomana“ 2009 für eine astronomische Besonderheit, als er für eine kurze Sternenfinsternis im Wassermann verantwortlich war.

Text: Hagen Kunze
Fotos: Online Asteroiden Katalog