die ideen eines bewerbers

An Mut gebrach es diesem Bewerber keinesfalls: Als sich im Jahr 1918 der 57-jährige Torgauer Otto Schröder als Nachfolger für den verstorbenen Gustav Schreck bewarb, schlug er eine radikale Reform für Chor und Schule vor. Der Kantor sollte Oberlehrer an der Thomasschule werden und die uralte enge Verbindung zwischen Schule und Chor auf diesem Wege erneuern.

Was jahrhundertelang als selbstverständlich galt, war nach der Gründung des Leipziger Konservatoriums 1843 nämlich bald aufgegeben worden: Nun war es den Verantwortlichen wichtiger, dass die Thomaskantoren am Konservatorium unterrichten, die Thomasschule rückte in den Hintergrund.

Warum Schröder solch eine Reform vorschlug, verrät seine Biografie. In Torgau war er zugleich Kantor an der Stadtkirche und Lehrer am städtischen Gymnasium. Mit dem Schulchor bereitete er die Kirchenmusik vor, als Oberlehrer unterrichtete er Latein, Griechisch und Religion. Zugleich machte sich Schröder als Musikdirektor einen Namen: Sein Oratorienverein führte regelmäßig Bachs Werke auf. Das alles aber nützte ihm im Bewerbungsverfahren nichts: Gewählt wurde Karl Straube, der sich wie alle seine Vorgänger auch am Konservatorium profilierte.

Text: Hagen Kunze