die anfänge der weihnachtsliederabende

Für viele gehören sie zur Vorweihnachtszeit wie Stollen und Glühwein: die Weihnachtsliederabende der Thomaner vor Heiligabend. Weil sie aktuell der Pandemie zum Opfer fallen, ist die Erinnerung an frühere Jahre umso stärker: Hat man seinen Platz in der übervollen Kirche gefunden, dann dauert es nicht lange, bis alle Alltagssorgen vergessen sind. Denn hier ist etwas zu erleben, was scheinbar Ewigkeiten überdauert hat und wieder zum Kern des Festes zurückführt.
Doch so alt sind diese Konzerte gar nicht. Sie stammen aus der Zeit, in der das Gebot des „stillen Advent“ aufgeweicht wurde – einer Ära, in der das Bürgertum das Christfest mit eigenen Ritualen verband und es so aus den Kirchen in die Wohnstuben holte. Just in dieser Ära wurden 1837 die Kurrendeumgänge fast komplett abgeschafft. Die Thomaner aber waren die Leidtragenden der Modernisierung, denn die Einkünfte waren fest verplant. Als Entschädigung durften die Knaben darum fortan jährlich drei Benefizkonzerte geben und dabei Spenden einwerben.
Die quer übers Jahr geplanten Oratorienaufführungen verfehlten jedoch ihr Ziel, die Etatlücke blieb. Abhilfe schuf erst eine weitere Veränderung: die Ersatzkonzerte sollten nun im Advent stattfinden, denn die Spendenbereitschaft sei dann ungleich höher. Von diesen Ursprüngen weiß heute kaum noch ein Zuhörer. Geblieben aber ist eine Besonderheit: Noch immer bilden die Weihnachtsliederabende einen eigenen Posten im Haushalt des Chores.

Text: Hagen Kunze
Foto: Matthias Knoch
Musik: Carl Thiel (1862–1939): In dulci jubilo, aus der CD "Weihnachtsliederabend in der Thomaskirche" www.rondeau.de/CD/ROP4028