der vater der schulmusik

Für Anhänger von Luthers Lehre war Leipzig in den 1520er Jahren kein ruhiges Pflaster. Mochte der Landesherr andernorts auch Ausnahmen zulassen – in der Handelsstadt stand die Obrigkeit fest zum alten Glauben, erst recht, nachdem sich der Reformator 1519 auf der Pleißenburg beinahe um Kopf und Kragen geredet hatte. So verließen kurz nach dem Streitgespräch gleich mehrere Leipziger ihre Wirkungsstätte und ließen sich in Wittenberg nieder.
Unter den Flüchtlingen war auch Georg Rhau – neben Sethus Calvisius der Intellektuelle unter den Thomaskantoren. Denn schon, bevor er 1518 sein Amt angetreten hatte, war Rhau als Gelehrter anerkannt. Sein „Enchiridion musices“ wurde zum Elementarlehrbuch. Als Protokollant der Disputation 1519 geriet der Thomaskantor jedoch in den Sog Luthers, und als er zum Abschluss die Festmusik dirigierte, ließ er eine zwölfstimmige Messe singen – außergewöhnlich für diese Zeit.
In Wittenberg startete dann Rhaus dritte Laufbahn: Als Buchdrucker und Musikschriftsteller war er der führende Kopf des Kreises um Luther, wenn es um Kirchenmusik und Musikerziehung ging. Dass in evangelischen Ländern, zu denen ab 1539 das albertinische Sachsen gehörte, die Musik im Schulwesen eine außergewöhnliche Rolle spielte (die Reformatoren empfahlen wöchentlich sechs Stunden Musikunterricht), ist auch dem einstigen Thomaskantor zu verdanken.

Text: Hagen Kunze