Sie ist das Markenzeichen der Thomaner: die Matrosenuniform, die auch als „Kieler Bluse“ bekannt ist. Das Erscheinungsbild des Chores aber prägt die in die Jahre gekommene Kleidung noch gar nicht so lange. Nachdem das Thomasstift 1543 säkularisiert wurde und die Thomaner nicht mehr Klosterschüler sondern städtische Sängerknaben waren, präsentierte man sich drei Jahrhunderte lang in der Kombination aus Dreispitz, Perücke und Mantel.
Es war das englische Königshaus, das eine Modewelle sondergleichen lostrat, als es 1846 den fünfjährigen Prinz von Wales in eine Marineuniform steckte und den Thronfolger dergestalt recht fesch porträtieren ließ. Zum ersten Mal überhaupt gab es nun ein besonderes Kleidungsstück für Kinder, das nicht mehr ein Abbild von Alltagskleidung für Erwachsene war.
Zu den Nachahmern der Mode gehörte Kaiser Wilhelm II., der für seine Kinder ebenfalls derartige Uniformen anfertigen ließ. Es ist also kein Wunder, dass die Kieler Bluse zwischen 1870 und 1930 in ganz Europa zu einer Art Standard-Schuluniform wurde. Die DDR wollte übrigens mit der Tradition brechen: Für die erste Thomaner-Tournee nach Japan wurde 1975 eine neue Auftrittskleidung aus „Präsent 20“ und Dederon genäht. In der Praxis erwies sich der luftundurchlässige Stoff aber als derart untauglich, dass die Kieler Bluse bald wieder zurückgeholt wurde.
Text: Hagen Kunze