Die Bachkantate im Rundfunk gehört zu einem perfekten Sonntagmorgen wie das weich gekochte Frühstücksei oder die dicke Sonntagszeitung. Lange Zeit war es ausschließlich das Vorrecht der Thomaner, Radiohörer mit Bach zu erfreuen. Inzwischen schauen die Musikredakteure der Kultursender natürlich auch über den Tellerrand und wechseln zum Sonntagsfrühstück gern zwischen stilistisch unterschiedlichsten Interpretationen.
Begonnen aber hat das alles in Leipzig und natürlich mit den Thomanern. Karl Straube, jener visionäre Thomaskantor, der auch als erster mit dem Ensemble auf Auslandsreisen ging, begann 1931 mit einer Serie von Rundfunkaufnahmen aller Bachkantaten. Auf vier Jahre war das Projekt angelegt. Technische und organisatorische Schwierigkeiten führten jedoch dazu, dass es zwei weitere Jahre dauerte, ehe das ambitionierte Unternehmen wirklich abgeschlossen war.
Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass es diese in ganz Europa übertragenen Kantaten der 1930er Jahre waren, die den Thomanerchor allerorten bekannt machten. Aufgenommen wurde damals übrigens keinesfalls hauptsächlich – wie es oft zu lesen ist – in den Gottesdiensten der Thomaskirche. Sondern meist erst danach in zusätzlichen Aufnahmesitzungen im Gewandhaus, das vom Rundfunk extra für das Projekt mit modernster Technik ausgestattet worden war.
Text: Hagen Kunze