Zehntausende Zuschauer sahen im Jubiläumsjahr 2012 den abendfüllenden Dokumentarfilm des Leipzigers Paul Smaczny, der ein ganzes Jahr lang die Sänger auf Schritt und Tritt begleitete. Mit Sicherheit gehört die Heiligabend-Sequenz zu den bewegendsten Szenen des Streifens. Nicht nur, weil Petrus ein Einsehen hatte und – was seitdem in Leipzig nie wieder geschah – im Drehjahr pünktlich zu Heiligabend für Neuschnee sorgte, was den Bildern eine überirdische Stimmung verlieh. Sondern auch, weil der Film etwas offenbart, was selbst Leipziger kaum wissen: Dass in den späten Abendstunden des Heiligabends stets kleine Thomanergruppen durch das Bachstraßenviertel ziehen und Ständchen singen, was die Anwohner wiederum mit Geschenken belohnen.
Zweifellos ist dies ein romantisierender Rückblick auf frühere Zeiten, der die Tatsache, dass die Thomaner einst hungernd und frierend vor Bürgerhäusern ihren Lebensunterhalt ersangen, ausspart. Und die Kurrenden, die vom Anfang des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1837 durch Leipzig zogen, fanden auch nicht in der Vorweihnachtszeit statt, wie dies mancher Historienroman weismachen will. Weihnachtliche Tradition aber haben die Kurrenden dennoch: Von den drei großen Umgängen war der zu Neujahr stets der wichtigste: Die Sänger übten dafür schon im kirchenmusiklosen Advent, und mit diesem Termin wurden fast immer die Elitesänger der ersten Kantorei beauftragt.
Text: Hagen Kunze
Video: Straßenszene Heiligabend aus „Die Thomaner“ (Accentus: ACC20212) [DVD] [2011]